Diese Woche tut der Bundestag, was er schon vor zwei Monaten hätte erledigen sollen: Er startet den Bundeshaushalt für 2024. Die Mitte-Links-Regierung aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und wirtschaftsfreundlichen Freien Demokraten (FDP) verursachte die Verzögerung, da sie sich über die Kürzungen nicht einig waren.
Der Haushaltsentwurf sieht Ausgaben in Höhe von rund 477 Milliarden Euro (517 Milliarden US-Dollar) vor, darunter 39 Milliarden Euro an Neuschulden. Dies ist der zulässige Höchstbetrag, da das deutsche Grundgesetz die Aufnahme neuer Kredite an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes knüpft.
Die Schulden betragen mehr als 2,4 Billionen Euro
Im Jahr 2009 wurde ein Schuldenmoratorium eingeführt, das der Praxis der Regierung ein Ende setzte, große Kredite aufzunehmen, wenn die Einnahmen nicht ausreichten. Die „Kreditsperre“ wurde während der COVID-19-Pandemie und erneut nach der umfassenden Invasion Russlands in der Ukraine ausgesetzt.
Deutschland hat mittlerweile über 2,45 Billionen Euro Schulden. Im Jahr 2024 sind 36 Milliarden Euro für Zinszahlungen vorgesehen. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sagte vor dem Bundestag, es sei „vernünftig, das Schuldenmoratorium erneut einzuhalten“. Dagegen sind seine Koalitionspartner SPD und Grüne anderer Meinung. Sie wollen mehr Kredite aufnehmen, um das Land zu modernisieren, und bezeichnen das Schuldenmoratorium als „Bremse der Zukunft“.
Investition erforderlich
Viele Straßen, Brücken, Eisenbahnen und Schulgebäude in Deutschland sind sanierungsbedürftig. Auch in die Digitalisierung sind Investitionen nötig, wo Deutschland noch hinterherhinkt.
Es mangelt bundesweit an Hunderttausenden Wohnungen, vor allem für Geringverdiener. Öffentliche Verwaltung und Gerichte sind überlastet.
Es braucht mehr Geld für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und für einen klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. Die Regierung hat dafür 60 Milliarden Euro durch Schuldenumschichtung bereitgestellt, die zunächst darauf abzielt, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzumildern. Im November entschied das Bundesverfassungsgericht gegen die Umverteilung der Mittel und machte damit die Pläne der Regierung zunichte.
Auch im militärischen Bereich herrscht Mangel. Neue 100 Milliarden Euro wurden 2022 geliehen und für das seit Jahren desolate Militär vorgesehen. Dieses Geld ist für die Anschaffung neuer Geräte über die Jahre vorgesehen. Doch das reicht möglicherweise nicht aus, zumal Waffenlieferungen in die Ukraine inzwischen aus einem Sonderfonds der Bundeswehr finanziert werden.
Die Situation wird noch schwieriger, wenn die USA, der größte Finanzier der Ukraine, ihre Unterstützung für die Ukraine einstellen. Dann müssen die Europäer eingreifen, was enorme Auswirkungen auf den deutschen Haushalt haben wird.
Wenn die Ukraine mehr Unterstützung braucht, wollen SPD und Grüne das Schuldenmoratorium erneut aussetzen.
Bundestagswahl 2025
Im Plan für 2025 klafft eine Lücke von mindestens 16 Milliarden Euro, Details dazu sollen im März vorgestellt werden. In Deutschland sinkt die Wirtschaftsleistung, was einen Rückgang der Steuereinnahmen bedeutet.
2025 wird mit der nächsten Bundestagswahl im September ein entscheidendes Jahr. Solange sie noch an der Macht sind, werden die Sozialdemokraten versuchen, Kürzungen im Sozialbereich zu verhindern, die Grünen werden auf die Finanzierung des Klimaschutzes pochen und die FDP wird weiterhin sparen wollen und Steuererhöhungen verweigern.
Die Mitte-Rechts-Christdemokraten (CDU) und die Christlich-Soziale Union (CSU), die größte Oppositionsgruppe im Bundestag, schnitten in den Umfragen gut ab und forderten Kürzungen der Sozialleistungen für Arbeitslose, die jährlich 44 Milliarden Euro kosten . und die Kosten für Flüchtlinge.
„Wir haben 1,7 Millionen Leistungsempfänger, die arbeitslos gemeldet sind, aber jederzeit eine Arbeit aufnehmen können“, sagte Matthias Middelberg, Abgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Die Asylfrage ist mittlerweile ein gewaltiger Kostenfaktor, wir geben dafür 27 Milliarden Euro aus, unter anderem für die Bekämpfung der Migrations- und Fluchtursachen.“
Letzteres bezieht sich auf Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe. Laut VENRO, einem Dachverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen in Deutschland, haben diese beiden Bereiche bereits im Haushalt 2024 enorme Verluste erlitten. Das Budget des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wird um fast 10 % gekürzt, die humanitäre Hilfe wird um 20 % gekürzt. Dies entspricht einer Kostenreduzierung von 1,4 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahr 2023.
Michael Herbst, Vorstandsvorsitzender von Venro, sagte, es sei besorgniserregend, dass die Kürzungen nicht mehr nur von der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) angestrebt würden.
„Besonders besorgniserregend ist, dass immer mehr Gesetzgeber die populistische Kritik an der rechtsextremen Wachstumspolitik aufgreifen und sich für drastische Kürzungen einsetzen“, sagte Herbst.
Finanzminister Lindner sprach sich diese Woche im Bundestag gegen weitere Kürzungen aus.
„Ich höre durchaus, dass die CDU/CSU und die gesamte Opposition Kürzungen in unserem internationalen Engagement fordern“, sagte er. „Davon rate ich nicht nur aus humanitärer Verantwortung ab, sondern auch, weil internationale Zusammenarbeit und Krisenprävention zutiefst im deutschen Interesse liegen, etwa die Begrenzung der Migration.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.
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