Die Sahra Wagenknecht Allianz (BSW) hat am vergangenen Samstag im sächsischen Chemnitz ihre erste Regionalorganisation gegründet. Erst im Januar formierte sich der BSW als Bundespartei und verabschiedete kurz darauf ein Programm für die Europawahl. Seine kapitalistische und nationalistische Ausrichtung spiegelte die Interessen deutscher Unternehmen im Namen des Kleingewerbes und der Selbstständigen – oder im BSW-Sprachgebrauch des „effizienten Mittelstands“ – wider.
Es ist kein Zufall, dass die erste Landesorganisation im ostdeutschen Bundesland Sachsen gegründet wurde. Nach der Europawahl am 9. Juni finden im September dieses Jahres Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt. Der BSW hofft auf einen sofortigen Einzug in die Landtage der ostdeutschen Bundesländer. Laut stark schwankenden Umfrageergebnissen schwankt sie zwischen 6 und 20 Prozent. So soll am 15. März ein Landesverband in Thüringen gegründet werden. Für Brandenburg gibt es noch keine Neuigkeiten zur Organisation.
Dass die Organisation eines Landesverbandes erstmals in Sachsen erfolgte, hängt mit den Traditionen der dortigen Linkspartei zusammen. Sie hat ihre größte und rechteste Landesorganisation in Sachsen. Die handverlesene Führung von BSW ist Teil dieser Tradition. Als Führungsduo wählten die 60 in Chemnitz zum Gründungsparteitag versammelten BSW-Mitglieder die langjährige Partei- und Gewerkschaftsfunktionärin Sabine Zimmermann und den Unternehmer Jörg Scheibe.
Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 trat der 63-jährige Zimmermann, der in der Baustoff- und Abfallwirtschaftsindustrie der ehemaligen DDR tätig war, dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als Gewerkschaftssekretär bei. Nach zehn Jahren in der SPD, wo er einige Monate im sächsischen Landtag saß, zog er 2005 über die Landesliste der Linkspartei in den Bundestag ein. Er verlor seinen Sitz im Jahr 2021.
Schieb betreibt in Chemnitz ein eigenes Architekturbüro. Wie der Geschäftsmann und Millionär Ralph Suikat, der Bundesschatzmeister des BSW, symbolisiert er die illusorische Kernbotschaft der Partei: die Versöhnung der Klassen.
Weitere Firmenmitglieder runden das Bild ab. Alexander Schultz und Silke Hessberg saßen beide im Kreistag Zwickau, Schultz für die SPD und Hessberg als parteilose Vertreterin für die Linkspartei. Hessberg war fünf Jahre lang geschäftsführender Gesellschafter von InSenTec – Innovative SensorTechnik, bevor er 2001 als Professor an die Fachhochschule Westsachsen in Zwickau wechselte.
Die gesellschaftliche Ausrichtung und Programmatik des BSW folgt der politischen Kontinuität der Gewerkschaft OWUS, die 1994 von der Vorgängerin der Linkspartei, der PDS, gegründet wurde und einer ihrer Schwerpunkte in Sachsen war. Nach eigener Beschreibung vertritt er die Interessen „kleiner und mittlerer Unternehmen, Freiberufler und Selbstständiger“ mit „wirtschaftlicher Rationalität und sozialer Verantwortung“. BSW definiert sich ähnlich.
OWUS wurde hauptsächlich von ehemaligen ostdeutschen stalinistischen Aktivisten organisiert, die nach der Wiedervereinigung Kapitalisten wurden. In einer Broschüre, die die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei anlässlich ihres zwanzigjährigen Bestehens herausgibt, wird diese gesellschaftliche Basis ganz klar beschrieben:
Die Mehrheit sind Ex-SED-Mitglieder [Stalinist party of state] Mitglieder, in Partei-, Wirtschafts- oder Landesverwaltungen, ehemalige Betriebs- oder Abteilungsleiter staatlicher Betriebe, darunter auch Aktivisten von Massenorganisationen wie der FDJ. [SED youth movement] und FDGB [union federation]Lehrer, Kulturschaffende, Bundeswehrangehörige und Akademiker.
Kleinunternehmer und die Linke – Ein Plädoyer für eine gemeinsame Suche nach einer Alternative, S. 5
Mit anderen Worten: Sie waren Mitglieder der stalinistischen Bürokratie, die die Arbeiterklasse in Ostdeutschland jahrzehntelang unterdrückte und dort 1990 mit der Einführung des Kapitalismus begann.
Die erste Präsidentin der OWUS war Christa Luft, die den Truhandenhalt gründete, dessen Aufgabe es war, das sozialisierte Vermögen der ehemaligen DDR zu verkaufen und zu veräußern. Sie wurde im März 1990 im Auftrag der vorherigen SED-Regierung unter Hans Motrow gegründet und begann mit der Privatisierung staatlicher Betriebe. Die Erfahrungen dieser Zeit hielt Luft in seinem Buch fest Lust ist der Agent (Besessenheit).
Die neuen Unternehmer des Ostens, die einen „gerechten“ Anteil an der Beute erwarteten, rekrutierten sich aus kapitalistischen, stalinistischen Apparaten. Als Gründungsmitglied der OWUS, Stadtrat in Dresden und Spitzenpolitiker der PDS saß er bis 2002 im Bundestag, im rechtsextremen Flügel der Partei. Nachdem er bereits in den 1990er Jahren Kontakte zu regionalen Neonazis geknüpft hatte, unterstützte er nach seinem Austritt aus der PDS im Jahr 2007 die rassistische Pegida-Bewegung. 2016 rief er die Menschen offen dazu auf, die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) zu wählen.
Ostrowski war kein Einzelfall, sondern verkörperte den gesamten Trend der PDS, Ostdeutschlands „Volkspartei“ nach dem Vorbild der Bayerischen Christlich-Sozialen Union (CSU) zu werden. Das ist Echte Politik Die Sparte trat 2006 mit dem Verkauf der kommunalen Grundstücksgesellschaft WoBa in Dresden in den Vordergrund, was nur mit Zustimmung der Sparten der PDS möglich war.
Der „Sieg“ der engstirnigen Begründung, Dresden schuldenfrei zu machen, währte nicht lange. Mittlerweile ist Dresden wieder verschuldet, die Mieten sind explodiert und die Stadt hat damit begonnen, im Jahr 2023 die ersten 1.213 Wohnungen von Vonovia für insgesamt 87,8 Millionen Euro zu kaufen. Angesichts der Tatsache, dass die Stadt in dieser Zeit 982 Millionen Euro für rund 48.000 eigene Wohnungen verdient hat, profitieren Investoren von einer Vervierfachung der Preise.
Damals verließ dieser scheinbar rechte Trend endgültig die Linkspartei. Ein enger Vertrauter Ostrowskis, Ronald Weckser, begründete seinen Abgang. Tagesspiegel 2009 bezeichnete er die „willkürlichen“ und „unverantwortlichen“ Forderungen der Partei, etwa einen Mindestlohn von zehn Euro, als „Populismus“.
„Selbst wenn wir die Wahl gewinnen, werden Dinge versprochen, die nicht gehalten werden können“, sagte er. „Aber die Partei ist der Ansicht, dass es nicht wichtig ist, ob dies erreicht werden kann. Der Punkt ist, wir haben Nachfrage.
Auch nach dem Austritt von Weckesser und Ostrowski aus der Partei blieb diese offene rechte Tendenz bestehen Echte Politik war kontinuierlich. Im Jahr 2013 einigte sich die Linkspartei in Sachsen unter ihrem langjährigen Vorsitzenden Rico Gebhardt auf eine Grundsatzerklärung zur Schuldenobergrenze. Mit „dieser Sachsen-Offensive zugunsten der extremen Linken“ begann der Aufstieg der Föderalistischen Partei von Katja Kipping. Echte Politik.Zuletzt setzte Kipping Kiffie als Berliner Senator (Staatsminister) für Arbeit und Soziales das rechte Programm der Regierung um.
Oskar Lafontaine, Wagenknechts jetziger Ehemann, war damals einer der „Populisten“, die Weckesser attackierte. Zuvor hatte Lafontaine 40 Jahre lang führende Partei- und Regierungsämter in der SPD inne und als saarländischer Ministerpräsident auch dem Steinkohlenbergbau und der Stahlindustrie des Landes geschadet. Lafontaine verließ schließlich die SPD, um seine Unzufriedenheit mit den Arbeits- und Sozialreformen der SPD von 2010 und dem Einsatz der Bundeswehr in Kriegen im Ausland auszuräumen. 2007 beteiligte er sich an der Gründung der Linkspartei, die unter dem Deckmantel linker Phrasen eine ähnliche Sparpolitik wie die SPD verfolgte.
Angesichts der noch größeren Wut über die offizielle Kriegspolitik und die damit einhergehenden sozialen Angriffe versucht Wagenknecht nun, die Unzufriedenheit wieder zu schüren. Während der Rest der Linkspartei sich offen der Bundesregierung zuneigt und identitätspolitisch mit den Grünen um Einfluss in der städtischen Mittelschicht konkurriert, setzt die BSW auf eine rechte, nationalistische Agenda.
Der von Weckesser und Ostrowski damals verunglimpfte gesellschaftliche „Populismus“ wird durch nationalistische Parolen zugunsten der „ökonomischen Vernunft“, rassistischer Hetze und der „Unabhängigkeit“ der deutschen Außenpolitik ersetzt. Wagenknechts Aussagen, dass eine Zusammenarbeit der Regierung mit Michael Kretschmer von der CDU in Sachsen denkbar sei, schließen den Kreis. Vor 20 Jahren Ostrovsky et al. Der BSW kann in Sachsen bald so sein, wie er will: eine offen rechte Regierungspartei, die auf jeden linken Anspruch verzichtet.
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