Die Bundesregierung hat sich nun gemeinsam mit 16 Ländern auf Eckpunkte der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgeschlagenen Krankenhaus-„Reformen“ geeinigt. Diese Reformen werden zu beispiellosen Krankenhausschließungen führen und die Gesundheitsversorgung der arbeitenden Bevölkerung erheblich verschlechtern.
Im Dezember stellte ein vom Gesundheitsministerium eingesetztes Expertengremium seine Vorschlagsentwürfe vor. Vorsitzender der Kommission waren Professor Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstitut (RWI) und Reinhard Busse, Professor für Gesundheitsmanagement an der Technischen Universität Berlin, die beide seit Jahren großflächige Krankenhausschließungen fordern. Nach einigem Ringen mit den Landesregierungen wurde der Entwurf nun grundsätzlich verabschiedet. Nur Bayern stimmte dagegen, Schleswig-Holstein enthielt sich.
Die Reform sei „eine Art Revolution“, betonte Lauterbach nach der Einigung. Künftig soll die Krankenhausfinanzierung an der Qualität der Leistungen und nicht an der Anzahl der durchgeführten Behandlungen gekoppelt werden. Bei Vorwürfen würde dies die Bedeutung von Fallpauschalen verringern und Krankenhäuser würden für die Erbringung guter Leistungen entlohnt.
Fallpauschale Zahlungen wurden 2004 von der rot-grünen Koalitionsregierung im Rahmen ihrer sozialregressiven „Agenda 2010“ eingeführt, an der Lauterbach maßgeblich beteiligt war. Neben der Umwandlung von Krankenhäusern in gewinnorientierte und teilweise private Einrichtungen trugen diese Maßnahmen zur Verschlechterung der Gesundheitsversorgung und zu untragbaren Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Kliniken bei. Mit der „Abschaffung der Fallpauschalen“ geht Lauterbach nun den nächsten Schritt gegen die öffentliche Gesundheit.
Zur Messung der Leistungsfähigkeit von Krankenhäusern sollten einheitliche „Leistungsgruppen“ mit Mindestanforderungen definiert werden. Das Ziel, sagen Lauterbach und andere Befürworter der Reformen immer wieder, sei es, sicherzustellen, dass komplexe Behandlungen wie Krebs oder Schlaganfall nur in entsprechend ausgestatteten und personell ausgestatteten Kliniken durchgeführt werden.
Entgegen den Einwänden wird dies keineswegs zu einer besseren Versorgung führen, da die dringend benötigten Extra-Cents für notwendige Geräte oder ausreichend bezahltes Personal nicht zur Verfügung stehen. Tatsächlich könnte dies zur Schließung von Abteilungen oder ganzen Krankenhäusern führen, wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft und viele andere Experten seit langem protestieren. Ausnahmeregelungen gelten in diesem Fall nur in Ausnahmefällen und sind zeitlich begrenzt.
Wie lange die Wartezeit in spezialisierten Hochleistungskliniken ist und wer Zugang zu ihnen erhält, ist ebenfalls völlig offen. Im Vereinigten Königreich ist die Sunak-Tory-Regierung dabei, den Nationalen Gesundheitsdienst zu zerstören, was es fast unmöglich macht, rechtzeitig Behandlungstermine für todkranke Patienten ohne teure Privatversicherung zu bekommen, was zu unnötigen Todesfällen führt.
Ein weiteres zentrales Merkmal der Reformen Lauterbachs waren die sogenannten „Einbehaltsgebühren“. Derzeit erfolgt die Vergütung nur für Fälle, die in Krankenhäusern behandelt werden; Künftig sollen durchschnittlich 60 Prozent der Kosten durch Einbehaltsgebühren gedeckt werden. Dies würde laut Lauterbach den wirtschaftlichen Druck verringern und die Präsenz von Krankenhäusern, wenn auch in geringerer Zahl, erhalten.
Es ist reine Augenwischerei. Die Vergütung bleibt weiterhin an die Anzahl der Behandlungen gekoppelt, da die Fallpauschalen nicht abgeschafft, sondern idealerweise ergänzt werden. Gleichzeitig ändert sich der Gesamtbetrag der sehr geringen Mittel nicht. Lauterbach hatte von Anfang an gesagt, dass kein zusätzliches Geld in die Krankenhauskasse fließen werde.
Auch gibt es noch keine konkreten Informationen darüber, wie diese Pauschalen berechnet werden. Sie sind nicht zweckgebunden, d. h. private Krankenhauskonzerne können sie beispielsweise zur Ausschüttung von Dividenden an ihre Aktionäre nutzen.
Über die vom Expertengremium vorgeschlagene Einteilung der Krankenhäuser in Versorgungsstufen besteht noch kein Konsens. Lauterbach will dies zentral regeln und die entsprechenden Daten im Januar nächsten Jahres veröffentlichen. Die Statuseinstufung „im Wesentlichen“ spielt daher keine Rolle Lander (Bundesländer) müssten es nicht übernehmen, sagte Lauterbach. Der Lander Dagegen behaupten sie ihre eigenen Kriterien.
Lars Lindemann, Gesundheitspolitiker der Freien Demokratischen Partei (FDP), erläuterte, was hinter den Plänen steckt, sogenannte Qualitätsdaten für Krankenhäuser zu veröffentlichen. „Wir brauchen mehr Offenheit darüber, wozu bestimmte Strukturen im Krankenhausbereich fähig sind“, sagte Lindemann. Krankenhäuser, die bestimmte Leistungen nicht in einem bestimmten Standard erbringen können, sollten im Zweifelsfall damit aufhören und das Feld verlassen. „Es ist schmerzhaft, aber so ist es.“
Bund und Länder haben hingegen vereinbart, dass bis zum Inkrafttreten der Reformen am 1. Januar keine Fördermittel für Krankenhäuser bereitgestellt werden, obwohl dies dringend erforderlich ist.
Den Krankenhäusern stehen gewaltige Preissteigerungen bevor. Aufgrund des Auslaufens der Corona-Förderung und des offensichtlichen Mangels an Pflegepersonal mussten viele Betten oder ganze Stationen geschlossen werden. Noch nie waren viele Krankenhäuser in Deutschland so rot wie heute.
Auf die Frage, ob der Bund angesichts der Situation Soforthilfe leisten solle, antwortete Lauterbach kühl: „Da kann ich Ihnen keine Hoffnung machen.“ Im Bundeshaushalt seien dafür keine Mittel vorgesehen.
Tatsächlich sind die Kürzungen des Gesundheitsbudgets für das kommende Jahr atemberaubend. Ab 64,4 Milliarden Euro [$US72.1 billion] im Jahr 2022 und wird im laufenden Jahr auf 24,5 Milliarden Euro und im nächsten Jahr auf 16,2 Milliarden Euro sinken. Dieser soll innerhalb von zwei Jahren auf ein Viertel reduziert werden. Dieses Geld wird direkt für den militärischen Umbau verwendet.
Das politische Kalkül ist, dass in diesem Jahr viele Krankenhäuser aufgrund der Verweigerung von Hilfeleistungen in die Pleite gehen werden. Es soll die von Lauterbach und dem Gutachtergremium geforderten Schließungen beschleunigen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat für das laufende Jahr eine Insolvenzwelle vorhergesagt. „Wir laufen Gefahr, dass zehn bis 20 Prozent der Krankenhäuser Insolvenz anmelden müssen“, sagt die DKG. Die Defizite der Krankenhäuser könnten bis zum Jahresende auf 15 Milliarden Euro ansteigen. Der Städtische Krankenhausverband warnt dieses Jahr vor bis zu hundert Insolvenzen.
Laut einer Studie der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) rechnen 77 Prozent der Landeskrankenhäuser in diesem Jahr mit Defiziten. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, als 62 Prozent rote Zahlen schrieben. Im vergangenen Jahr betrug das Gesamtdefizit etwa 500 Millionen Euro, dieses Jahr werden minus 800 Millionen Euro erwartet.
Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zeigt, dass alle institutionellen Parteien Krankenhausschließungen und -kürzungen befürworten. Die Kritik an der Linkspartei in den wesentlichen Punkten ist also heuchlerisch und widerlich.
„Die Krankenhausreform ist so schlecht konzipiert, dass die gesamte Branche unruhig ist“, beklagt Tobias Schulz, gesundheitspolitischer Sprecher der Linkspartei im Berliner Landtag. Neben dieser harmlosen Kritik legte die Partei am vergangenen Wochenende einen eigenen gesundheitspolitischen Vorschlag vor. Doch in Thüringen und Bremen stellt die Linkspartei einen Ministerpräsidenten oder engagiert sich in der Landesregierung, ohne zu erwähnen, dass sie sich für Reformen ausgesprochen hat.
Was bisher über das Konzept der Linkspartei bekannt ist, sind leere Versprechungen. Ihrer These zufolge sollten Krankenhäuser nach dem Prinzip der Selbstkostendeckung arbeiten, d. h. ihnen werden die entstandenen Kosten erstattet. Voraussetzung dafür sei, dass die jeweiligen Anbieter einen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften abgeschlossen hätten, argumentiert die Linkspartei. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass dies nichts mit der Gewährleistung angemessener Arbeitsbedingungen zu tun hat. In der Berliner Charité beispielsweise kämpfen Pflegekräfte seit Monaten trotz Tarifverträgen für bessere Arbeitsbedingungen, die von der Gewerkschaft Verdi und dem rot-rot-grünen Landesvorstand ausverkauft werden.
Auch die Forderung nach „Insourcing“ ausgelagerter Krankenhausabteilungen ist heuchlerisch. Nicht nur, dass die Linkspartei in Berlin vor 20 Jahren viele Bereiche auslagerte, um Geld zu sparen, auch das darauffolgende Insourcing diente nur der Stabilisierung der schlechten Löhne.
Unter dem Motto „Umstrukturierung privater Krankenhäuser“ gibt die Linkspartei nun vor, die weitere Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen stoppen zu wollen. Aber Parteichefin Janine Whistler wies die Frage, ob eine Umstrukturierung die Übernahme privater Gesundheitsunternehmen bedeuten würde, unverblümt zurück.
„Essensliebhaber. Unverschämter Alkoholguru. Leidenschaftlicher Internet-Freak. Hardcore-Analyst. Gamer.“
More Stories
Bürokratie blockiert ukrainische und syrische Ärzte – DW – 29.08.2024
Starmer wirft Deutschland mangelnden Ehrgeiz zu Beginn des Brexit-Neustarts vor
Turnerin stürzt in Deutschland vom Berg in den Tod » Explorersweb